Freitag, 7. August 2009

Tour de Suisse - 8. und abrupt letzter Tag - Innertkirchen - Pleidelsheim (20km) [406 km]

Die 20 km sind natürlich wieder nur reine Radfahrstrecke. Aber beginnen wir mal von vorne:
Es regnete und laut Wetterbericht sollte das noch mindestens 1 - 2 Tage, je nach Region, so weitergehen. Ich packte erst mal meine Sachen zusammen, fuhr Richtung Meiringen. Aber nach der 2. Serpentine bergauf - glücklicherweise direkt am Osteingang der Aareschlucht gelegen - überlegte ich es mir anders und fragte, wo der Zug denn nach Meiringen losfahren würde. In Innertkirchen. Toll :-( Also alles zurück. Zum Glück ging es ja nun bergab. Die Bahn hatte leider 3 Stufen und mein Gepäck war fest am Rad montiert. Vor meinem geistigen Auge sah ich den Zug schon entschwinden, als unerwartet der Zugführer aus seiner Kanzel stieg und mir einfach das Rad hinaufhob. Ich war echt baff. Und die Mitnahme des Rades war sogar kostenlos. Wieder so ein ungewohnter Service! In Meiringen hob er mir das Rad auch wieder aus dem Zug und zeigte mir, wo die Bahn nach Giswil losfuhr. Ich löste ein Ticket und wurde schon im Vorfeld von Bahnmitarbeitern gefragt, wo ich hin möchte. Als der Zug einfuhr, trugen 2 Mitarbeiter mein vollbepacktes Rad in das Veloabteil. Nochmals vielen Dank für diesen tollen Service! Die Bahn nennt sich *Golden Pass Panorama Line* und führt von Interlaken über Meiringen über den Brüningpass, den Lungern-, Sarnen- und Alpnacher bis zum Vierwaldstätter See nach Luzern. Mein Ziel war Giswil, dessen Bahnsteig sehr abenteuerlich anmutete. Diesmal ging alles ohne fremde Hilfe ab, ich trug Rad und Gepäck seperat aus dem Zug und fand mich quasi zwischen zwei Zügen wieder - aber das war dort der normale (sehr schmale) Bahnsteig (in Deutschland mit Sicherheit nicht zulässig *g*). Nachdem ich die Taschen wieder befestigt hatte, fragte ich an einem Kiosk nach dem Weg nach Sarnen und erhielt eine falsche Richtungsauskunft. Weil ich mir aber sicher war, dass es nicht noch über einen Pass gehen würde, erkundigte ich mich bei einem KfZ-Mechaniker, der mir dann einen Geheimtipp und eine Abkürzung zum Radweg zeigte, der zum Glück der richtige war und wie erwartet in die genau entgegengesetzte Richtung führte. Vorher kaufte ich noch mal schnell was Essbares ein. Auf der Strecke nach Luzern setzte aber so ein starker Regen mit Gegenwind ein, dass meine Regenkleidung, die ich vorsorglich angezogen hatte, diesem Wetter nicht mehr stand hielt. Ich *soff* im wahrsten Sinne des Wortes ab, selbst meine wasserfesten Schuhe ließen mich im Stich und ich war dementsprechend stinksauer. Denn so hatte ich mir meinen Urlaub dann doch nicht vorgestellt. Meine Reise mit dem Rad sollte eigentlich noch über Luzern, Zug, dem Walensee, Sargans, Altstätten, St. Gallen, Arbon und Konstanz gehen. Aber in diesem Augenblick trat das völlig in den Hintergrund und ich fuhr die letzten Kilometer bei diesem Wetter nach Sarnen, um in den Zug nach Luzern zu steigen. Da ich auf ihn noch 30 min. warten musste, nutzte ich die Gelegenheit, stellte mich samt meinem Drahtesel unter die Unterführung und zog mich erst einmal um. Die Socken konnte ich auswringen, so nass waren sie. Ging es halt sockenlos, aber dafür etwas trockener weiter. Da auch in Luzern der Regen nicht spürbar schwächer wurde, entschloss ich mich schweren Herzens, die Reise abzubrechen. Ich kaufte mir ein Ticket über Zürich nach Romanshorn. Dank der perfekten Ausschilderung konnte ich in den mir verbleibenden 10 min. den Zug besteigen, das Rad befestigen. Auch in Zürich: problemloser Umstieg in allerkürzester Zeit (PS: Seeehr geräumige Lifte auf die Bahnsteige) und weiter ging es nach Romanshorn. Dort angekommen fuhr ich zum Hafen, stieg in die Fähre nach Friedrichshafen. Schnell noch die letzten Schweizer Franken in schmackhafte Wiener mit Senf investiert und schon hieß es: Adé du schöne Schweiz! So schnell wollte ich dich eigentlich nicht verlassen.

Ein großer Dank gilt allen netten Menschen, die meine Wege kreuzten und ein riesiges Kompliment an die Schweizer Bahn, den Postbus und die Schiffflotte auf dem Neuchâteler und Genfer See.

In Friedrichshafen wurde ich sofort in die deutsche Realität zurückgeholt. Eine Dame am DB-Schalter fühlte sich nicht in der Lage, mir meinen Reisegutschein in ein Ticket umzuwandeln. Servicewüste Deutschland! Auch erfuhr ich erst hier, dass es in Friedrichshafen 2 Bahnhöfe gibt und ich erst zum Stadtbahnhof radeln muss und den gewählten Zug dadurch natürlich nicht erreichen würde. Nächster Minuspunkt: kein Lift, keine Rampe. Also wieder einmal unter den neugierigen Blicken von nicht helfen wollenden Menschen das Gepäck samt Rad auf den Bahnsteig hieven. Wenigstens der Zug war eine Niederflurbahn, allerdings die dortige Zugbegleiterin sehr unhöflich. (Sie erinnerte mich in ihrem Outfit eher an eine Aufseherin *g*) Auch sprach sie ihre Durchsagen im breitesten Dialekt, was einige Lacher im Abteil verursachte. Ein ausländischer Tourist hätte wohl so seine Not gehabt. In Ulm musste ich noch einmal umsteigen - dort halfen mir 4 hilfsbereite Kinder aus einem Stuttgarter Feriencamp, weil es auch hier keinen Lift gab. Und gegen 21.30 Uhr war ich dann auf dem Stuttgartert Hbf. angelangt, stieg in den Lift, der mich zur S-Bahn nach Freiberg bringen sollte. Dort angekommen begann die gefährlichste Strecke: die unbeleuchtete Hauptstraße nach Hause *g*. Ja, hier hatte ich echt Angst, mir könnte so kurz vor Urlaubsende noch etwas passieren. Die entgegegenkommenden Autos blendeten mit ihren Scheinwerfern und ich sah so gut wie nichts.

1267 km mit Rad, Bahn, Schiff und Postbus (die Schweizer sagen ja Postauto dazu) in gerade einmal 8 Tagen - das kann sich sehen lassen. 502 km davon fuhr ich mit dem Rad, 7 Übernachtungen auf Schweizer Campingplätzen, 2 Fahrten mit dem Schiff, 6 Zugfahrten, 1 mit dem Postauto und 2 Zugfahrten innerhalb von Deutschland, mindestens 20 0,3 l-Flaschen Cola light, 8 große Flaschen Ovomaltine, 7 Nussgipflis, 7 x Essen kochen, 7 x Zelt auf- und wieder abbauen...., viel Natur: Flüsse, Kanäle, Seen, Bäche, Berge, unzählige Tiere (sogar 2 Schlangen und sehr viele Salamander) kreuzten meinen Weg, 1000 Fotos wurden gemacht (weniger als sonst so bei mir üblich).

Tour de Suisse - 7. Tag Visp - Innertkirchen (12 km)[80 km]

12 km klingt komisch - ist aber wirklich so, denn heute sollte ein reiner Zug- und Bustag werden. Und das war auch gut so. Gegen 7.30 Uhr packte ich bereits meine Sachen und machte mich auf zum Bahnhof Visp, um dort Essen, Getränke, Geld und vorsorglich die Zugkarte von Brig nach Oberwald zu kaufen.
Dann fuhr ich mit dem Rad weiter nach Brig, erreichte kurz vor Einsetzen des Regens den Bahnhof, suchte mir einen Zug heraus (der sogar eine Stunde früher als geplant losfuhr). Der Regen wurde immer stärker und man sah leider nicht viel von der Landschaft, nur soviel: ich hatte instinktiv das Richtige getan, denn die Strecke war verdammt bergig und der Regen war so intensiv, dass ich es per Rad niemals bis 13.20 Uhr nach Oberwald geschafft hätte. Leider ließ ich im Zug meine teure Radbrille zurück und war etwas sauer darüber (sie tönte sich je nach Lichteinfall von selbst und war federleicht). Nun ja, bei Regen benötigt man natürlich keine Brille, aber trotzdem kam ich mir irgendwie *nackt* vor. Von Oberwald war ich arg enttäuscht. Nur ein kleiner Bahnhof mit 2 Bahnsteigen und einem Kiosk. Davor eine lange Autoschlange mit genervten Insassen. Es stellte sich heraus, dass hier auch die Autoverladung zur Realp war - nicht jeder wusste wohl, dass man dafür ein Ticket benötigte, was zu Dauerhupen und diversen Ehestreitigkeiten führte. Ich nahm mir daher eher ein schöneres Fotomotiv vor: eine Dampflok. Zum ersten Mal sah ich zu, wie eine Dampflok mit Wasser betankt wird. Seit 2001 darf in der Schweiz übrigens keine Dampflok mehr mit Kohle fahren. Es wurden alle Exemplare auf Öl umgestellt - der Umwelt zuliebe.
13.14 Uhr konnte ich mein Gepäck samt Rad im Schweizer Postbus verfrachten und gegen 13.30 Uhr ging dann die Fahrt über den Grimselpass los. Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, ab Grimsel Passhöhe mit dem Rad nach Innertkirchen zu fahren. Aber das Wetter war einfach zu mies. Als wir die Passhöhe erreichten (und man sogar die Murmeltiere im Park beobachten konnte), kamen uns blau gefrorene Radfahrer und Wanderer entgegen, die noch einen Platz im Bus suchten. Ich hatte also schon das 2. Mal an diesem Tag die richtige Entscheidung getroffen.
Erschreckend, wie sehr der Gletscher in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Hinter mir saß eine Frau, die einem amerikanischen Jungen erklärte, dass ihre Mutter in den 40er Jahren noch den Gletscher bis zum Hotel im Tal erlebt hatte!

Der Busfahrer erzählte auch immer wieder Wissenswertes über die Stauseen, die steilsten Bergbahnen, die längsten Hängebrücken etc. Es war sehr kurzweilig, sehr lehrreich und sehr schön auf diesen 38 km über den Pass. Aber jede Fahrt hat mal ein Ende und in Innertkirchen war es dann auch für mich soweit. Ich bepackte mein Rad wieder und fand auch sofort den anvisierten Campingplatz. In einer Regenpause baute ich das Zelt auf, labte mich an den Schweizer Käsekreationen und schlief erst einmal. Am Abend zahlte ich die 15 CHF Platzgebühr, las und schrieb die Ansichtskarten und dann war auch dieser Tag für mich vorüber.

Tour de Suisse - 6. Tag - von Bois Noir nach Visp (72 km) [23 km]

Bois Noir verließ ich gegen 9.30 Uhr. Dank des Feiertages herrschte um diese Zeit noch eine himmlische Ruhe. Mit der war es leider ganz schnell vorbei, als ich bergauf vom Campingplatz auf die große Straße fahrend, in den 1. Gang schalten wollte und sich die Kette plötzlich zwischen Pedale und kleinem Zahnkranz wiederfand. Also wieder alles komplett abbauen, das Rad auf den Kopf stellen, mit einem Stöckchen die Kette anheben , die Pedale drehen - und zum Glück war das Malheur schnell behoben. Das hätte mir noch gefehlt: zum 1. August eine gerissene Kette.

Nun ging es erst mal nach Martigny - unweit davon ist ja der St. Bernhard, wo die süßen Bernhardiner herkommen. Natürlich durfte das Motiv auch auf keiner Ansichtskarte fehlen und ich kaufte gleich mal 4 Stück für die liebe Verwandtschaft. An einer Tankstelle fand ich einen geöffneten Migolino - eine kleine Version des Migros und konnte mich so glücklicherweise mit Getränken, einem leckeren Frühstück und einem Wassereis eindecken. Der heutige Tag schien besonders heiß zu werden.

Weiter führte mich die Reise nach Sion. Auch hier war mir Kompass, Karte und ein Blick auf die Infrastruktur eine große Hilfe, um die richtige Route zu finden. Es ging immer entlang der Rhône, flankiert von wunderschönen Apfel- und Aprikosenplantagen. Und natürlich die Berge re. und li. entlang des Weges. Meine Kamera wurde ganz schön strapaziert. Sion war komplikationslos. Weiter ging es nach Sierre. Und dort hatte ich wirklich einen Tiefpunkt meiner Tour erreicht. Zum einen zeigte das Thermometer mittlerweile 36 Grad an - und so fühlte ich mich auch! Andererseits wurde man als Radfahrer in die Irre geleitet. Ein Kreisverkehr, bergauf, 2. Kreisverkehr, bergab - und man landete wieder am 1. Ich kam mir sowas von veralbert vor! Und die Kräfte ließen spürbar nach. Da halfen keine Getränke und auch kein wassergekühltes Tuch unter dem Helm. Ich war fertig mit der Welt und in diesem Augenblick trat ein Schweizer in mein Blickfeld - er kannte sich als Tourist wohl sehr gut dort aus und empfahl mir dringendst, den Bahnhof in Salgesch aufzusuchen und von dort weiter nach Visp zu fahren. Der Bahnsteig hatte alle Vorzüge, die ich als vollgepackte Radfahrerin so schätzte: Rampen, um auf den anderen Bahnsteig zu kommen, Niederflurbahn zum problemlosen Einsteigen und ein Radabteil. Mehr konnte man sich einfach nicht wünschen. Und kurze Zeit später kam ich in Visp an und zog das Interesse eines älteren Schweizers auf mich. Er war anfangs schockiert über das viele Gepäck, was ich mit mir führte, aber ich konnte ihn beruhigen, dass das während der Fahrt gar nicht ins Gewicht fiel. Er warnte mich auch vor, dass es am folgenden Tage regnen sollte (was auch wirklich eintrat). Ich fuhr nun zum mir schon bekannten Campingplatz Mühley, der in den letzten Jahren an Größe zugenommen hat. Hier wurde ich sehr freundlich empfangen, erhielt einen tollen schattigen Platz unter Bäumen. Wieder ein 1 A Service! Diesmal hatte ich genug Zeit, um meine Wäsche zu waschen - diese hängte ich dann auf der Leine auf, die zwischen Baum und umgedrehtem Fahrrad aufgespannt war. Das Gebilde sah etwas abenteuerlich aus, erfüllte aber voll und ganz seinen Zweck! Die Dusche war eine wahre Wohltat! Das Essen schmeckte heute besonders gut. Ein älteres holländisches Ehepaar kam auch noch mit mir ins Gespräch. Ich fühlte mich rundum wohl und genoss auch den tollen Vollmond am Abend, der zwischen den Bergen verschwand. Überall wurde gefeiert, aber ich war so müde, dass mich das auch nicht mehr störte.

Tour de Suisse - 5. Tag - von Grandson nach Bois-Noir (103 km) [18 km]

Dieser 5. Tag sollte es in sich haben! Aber erst einmal begann er recht gemütlich. Ich fuhr nach Yverdo-les-Bain, kaufte unterwegs noch etwas ein und wollte nun Richtung Cossonay fahren. Leichter gesagt als getan. Durch Yverdon führten zwar reichlich Radwege, aber nirgends war das Schild für die Route 5 zu finden. Andere Routen kamen für mich nicht in Frage, weil sie allesamt nicht nach Cossonay führten. Ich fragte also an einer Tankstelle nach, erhielt dort auch eine vage Richtung angedeutet. Aber der gute Mann hatte wohl die Autostraße 5 mit der Radroute 5 verwechselt. Hier kam mir mal wieder der Kompass und die Karte zur Hilfe. Sich ein wenig im Gelände orientieren zu können, kann also nie schaden! Und voilá! Ich fand den Weg und machte damit auch gleich noch eine verzweifelte Schweizerin glücklich, die ebenfalls diese Route 5 suchte und mir schon eine Zeit lang *unauffällig* gefolgt war.
Nun ging es entspannt immer auf Feldwegen an Bahnlinien entlang Richtung La Sarraz. Eingedenk der Tatsache, dass wir den 31. 7. hatten und Samstag Feiertag und Sonntag einfach Sonntag sein würde, kaufte ich in einem Migros noch Lebensmittel für die nächsten Tage ein, kaum zur Tür raus, wurde abgeschlossen. Hatte ich also wieder Glück gehabt. Dieses verließ mich dann kurzzeitig, weil es einen wirklich fiesen Berg hoch ging. Natürlich war der Blick am Gipfel angekommen überwältigend, aber ich war ganz schön am Hecheln so kurz vor 13 Uhr.
Danach führte mich die Strecke kilometerlang mehr oder weniger bergab, in der Ferne waren schon die Seealpen bei Lausanne zu sehen. Ich wollte aber das Stück von Cassonay bis Lausanne mit dem Zug fahren, weil ich sonst 2 Pässe hätte überwinden müssen, was bei der Gesamtstrecke und den Temperaturen nicht ratsam war. Nun erwartete mich am Bahnhof eine wirklich böse Überraschung: keine Rampen oder Fahrstühle auf den Bahnsteig 2! Das hieß: Rad komplett vom Gepäck befreien, alles in 3 Durchgängen auf den Bahnsteig tragen - Gaffer gab es zur Genüge. Dann kam der Zug - mit 3 Stufen. Wenn da nicht ein junger Mann beherzt das Gepäck in den Zug getragen hätte.. keine 2 min. später fuhr die
Bahn los - und ich war mit Rad und Gepäck Gott sei Dank IM Zug! Das war wirklich knapp. Das Gepäck ließ ich lieber liegen und wartete mit Bangen auf den Hbf. in Lausanne. Dort angekommen bat ich einen Mann, mir wenigstens die 2 Seesäcke zu tragen. In der gleichen Zeit trugen aber zu meiner großen Überraschung noch 2 Frauen das restliche Gepäck, so dass ich in nicht mal 1 min. auf dem Bahnsteig stand und von der Hilfsbereitschaft doch sehr überwältigt war. Ich bepackte mein Rad wieder in gewohnter Weise und fuhr bergab Richtung Promenade - und wer schon mal in Lausanne war, weiß, wie sehr bergab es dort geht. Der Wahnsinn! Überall flanierten auf der Promenade Japaner, Koreaner und Chinesen. Ich befuhr einfach den Radweg Richtung Vevey, vorbei am Olympischen Museeum, las noch schnell den Schiffsfahrplan und irgendwann lag Lausanne hinter mir. Vor mir befanden sich wunderbare Weinberge, kleine Chalets und in der Ferne konnte man sogar den Mt. Blanc sehen. Nun ging es vorbei an Pully nach Lutry, wo es einen sagenhaften Käseladen gibt. Natürlich habe ich mir Ziegenfrischkäse, Morbier und Gruyere mitgenommen. Kurz vor 16 Uhr erreichte ich Vevey, suchte dort gleich den Hafen auf, stieg in das Schiff nach Montreux, fotografierte die Berge vom Lac Leman aus und fuhr dann von Montreux aus Richtung Martigny.
Auch diese Strecke war sehr reizvoll. In der Mitte die Rhône, re. und li. gesäumt von wirklich hohen Bergen und dazu der strahlend blaue Himmel! Ab und an verschandelten Fabriken mit hohen Schornsteinen das Bild. Aber nach und nach wurde es immer ruhiger.. nur der gesuchte Campingplatz war einfach nicht zu finden. Ich nahm also den nächsten in Angriff. Aber auch der existierte gar nicht. Es wurde langsam dämmrig und ich war immer noch auf der Suche. Kurz vor 20 Uhr bei Bois Noir, gerade mal noch 15 km von Martigny entfernt, tauchte endlich die ersehnte Bleibe auf. Trotz des Feiertages bekam ich noch ein Plätzchen, kochte mein Essen und schlief todmüde ein. Dank des Feuerwerks wurde ich aber ganz schnell wieder aus dem Schlaf gerissen *g*

Tour de Suisse - 4. Tag - von Sutz nach Grandson (42 km) [38 km]

Endlich einige Wölkchen am Himmel! Aber dafür blies ein kräftiger Gegenwind, der die Fahrt sehr erschweren sollte. Der Sonnenbrand hatte auch seine Spuren hinterlassen, so dass ich mich an dem 4. Tag nicht so 100%ig fit fühlte. Also plante ich kurz entschlossen meine Route ein wenig um und verband das Angenehme mit dem Nützlichen.

Zuerst führte mich der Weg entlang des Bieler Sees Richtung französische Schweiz. Tauchten Schafe auf, fotografierte ich sie natürlich (ein Faible von mir). Dann führte die Strecke direkt an einem Wehr und Wasserkraftwerk vorbei. Das war nicht nur ein lohnendes Fotomotiv, sondern wirklich eine sehr interessante Angelegenheit! Eine Zeit lang ging es recht bergig zu, dann führte der Weg steil hinab zum Ufer des Sees - es wurde also nie langweilig. Enttäuscht war ich gleich zu Beginn der französischen Schweiz. Miese Ausschilderung, fehlende Radwege... und genau dieser Umstand veranlasste mich, erst recht die neue Route ins Auge zu fassen. Anstatt auf der li. Seite südlich über Estavayer-le-Lac und Yverdon-les-Bains nach Grandson zu fahren, wählte ich die re.seitige Route Richtung Neuchâtel. Und nicht nur das: ich wollte von dort direkt nach Grandson mit dem Schiff fahren, denn wenn man schon mal so einen See zu Gesicht bekommt, muss man doch auch ein Schiff nutzen, oder? Die Mitnahme von Rädern auf diesen Linienschiffen ist gratis, was es mir noch sympathischer machte. Das Rad wurde gut verstaut, ich nahm auf dem Oberdeck Platz - natürlich mit Kamera und kühlen Getränken ausgerüstet - und los ging es. Mein Erstaunen war groß, als das Schiff nach 1 h in Estavayer anlegte. Hätte ich also auch die zuerst ins Auge gefasste Route unbedenklich wählen können.... Dann erlebte ich eine große Überraschung: Mindestens 10 Radfahrer/innen wollten aufs Schiff. Nun war der Vorraum aber schon komplett mit Rädern besetzt. In Deutschland hätte diese Gruppe aufs nächste Schiff warten dürfen. Nicht so hier! Der Kapitän persönlich hievte Rad für Rad aufs Oberdeck und von dort auf die Brücke und so konnte jeder mitfahren. Einfach super! Und so ging das noch mindestens 2 mal. Die Räder wurden heruntergehoben, die neuen wieder hinaufgetragen. Mit einer stoischen Ruhe und einem Lächeln absolvierte der Käpt´n das, dass einem vor Staunen echt der Mund offenstand. Wohl auch deshalb war ich nicht die einzige, die dieses Wunder fotografisch festhielt.
In Grandson war dann für mich Endstation. Ich hatte auf dem dortigen Campingplatz eine Nacht reserviert und bekam auch prompt einen schönen, vor allem ruhigen und schattigen Platz zugewiesen. Service wird in der Schweiz wirklich groß geschrieben! Nach einem leckeren Abendmahl und einem Telefonat in die Heimat war Nachtruhe angesagt, die nur ab und an von vorbeifahrenden Schnellzügen kurzzeitig unterbrochen wurde. Aber irgendwie scheint es Usus zu sein, Campingplätze in der Nähe von Bahnlinien (oder Autobahnen) zu errichten.

Tour de Suisse - 3. Tag von Stüsslingen nach Sutz (102 km)

Der 3. Tag begann wieder wunderschön. Ich saß mit meiner Ovomaltine auf einer Bank und bewunderte noch einmal ausgiebig die drei Gipfel. Dann packte ich alles wieder zusammen und auf ging es (bergab) Richtung Olten. Unterwegs schnell noch etwas eingekauft, erreichte ich kurz vor 10 Uhr Olten an der Aare. Auch hier wurde man netterweise auf weniger befahrene Strecken geleitet. Meine nächste Station war Aarburg mit einer imposanten Burganlage auf dem Berg. Nun ging es in einigen Kurven bergauf und dann in der Mittagsglut durch einen Wald, der aber genau auf der Strecke sehr kahl war. Ich zog mich dementsprechend an, was mir im Nachhinein einen mordsmäßigen Sonnenbrand bescheren sollte. Nach dem Wald hatte ein Witzbold das Schild falsch gestellt, so dass man automatisch in die falsche Richtung fuhr - 10 km Umweg - das mag für einen Autofahrer nicht viel sein. Für jemanden auf einem Rad ist das schon eine kleine Katastrophe, vor allem bei diesem Wetter und in Anbetracht auf die noch vor mir liegende Strecke. Aber so lernte ich halt eine andere Gegend kennen, die ich so nie erlebt hätte. Vorbei an Oensingen und Niederbipp verfolgte ich immer den Weg am Kanal, der doch ein wenig Kühle versprach. Dann ging es über saftige Wiesen hinauf und in einer rasanten Serpentinenfahrt hinab nach Wangen an der Aare. Hier hatte die Schweizer Armee ihren Übungsplatz. Sah irgendwie sehr lustig aus. Nun ging die Reise weiter gen Solothurn. Ich füllte erst mal mein Getränkevorrat auf, denn Flüssigkeitzufuhr war das Wichtigste auf dieser Reise.
Auf dem Markplatz von Solothurn wurde man regelrecht von Radhinweisschildern *erschlagen* Aber zum Glück führten nicht *alle Wege nach Rom* bzw. Biel/Bienne, so dass ich schnell die richtige Route fand und mich wieder auf die Reise machte. Es ging weiter entlang am Wasser, li. sah man wieder die prächtigen Berge, teilweise mit Schnee bedeckt. Dann kam endlich das Schild *Biel* und ich orientierte mich immer am See entlang, bis ich nach einigem Bergauf und Bergab am Campingplatz Sutz ankam. Es war kurz vor 19 Uhr und ich konnte mein Zelt aufbauen und mir mein Abendbrot auf dem Kocher schmecken lassen. Im See selbst war ich aber nicht schwimmen. Das hatte ich paradoxerweise die ganze Woche über nie geschafft. Dafür hatte der Campingplatz herrliche Duschen und mit 17 CHF war er auch schon preiswerter als noch der Züricher Camping.

Tour de Suisse - 2. Tag von Zürich nach Stüsslingen (86 km)


Der 2. Tag begann wieder sonnig und ich machte mich frühzeitig aus dem Staub. Es ist schön, wenn man einer Stadt beim Erwachen zuschauen kann. Diesmal bog ich nach links Richtung Dietikon ab. Die Außenbezirke von Zürich sahen nicht so toll aus und auch Altstätten war eher langweilig. Kurz vor Mittag traf ich in Dietikon ein. Eigentlich gehört dieser Ort ja offiziell auch noch zu Zürich, aber auf der Landkarte sieht das gar nicht so nah aus! Die Verkehrsführung war in der Stadt durch Bauarbeiten etwas chaotisch, so dass ich erst in die falsche Richtung fuhr. Aber ich hatte ja Zeit, kehrte um und dann ging es Richtung Baden.
Auf freier Strecke spürte man die sommerlichen Temperaturen schon etwas intensiver. Aber einige Kilometer später entschädigte die Altstadt von Baden wieder für so manche Pein. Die Burg sieht man ja schon lange vorher, da sie so malerisch auf einem Berg liegt und man in rasanter Fahrt bergab auf der Fernverkehrsstraße nach Baden *hineinbrettert*.
Weiter ging es entlang der Aare Richtung Brugg. Dabei fand ich eher zufällig das Kloster önigsfelden mit seinem ruhe- und schattenspendenden weitläufigen Park (interessant für Kenner der Habsburger Monarchie und ihrer Geschichte). In Brugg holte ich mir mein erstes Nuss-Gipfli (darauf kann ich bei Schweiz-Besuchen ebenso wenig verzichten wie auf Ovomaltine *g*). Nun führte mich mein Weg immer noch entlang der Aare Richtung Aarau. Hier genehmigte ich mir an der Uferpromenade erst einmal ein schönes großes Eis und eine eisgekühlte Cola light. Ein aufmerksamer Schweizer hatte mich wohl schon etwas länger beobachtet und konnte mir so den Weg nach Stüsslingen zeigen.
Dieser Weg hatte es aber in sich. Auf nicht einmal 4 km stieg die Strecke um 135 Höhenmeter an und erstmals kapitulierte ich und schob mein schweres Rad bergan, was aber auch zum Teil an meiner widerspenstigen Gangschaltung lag. Auf Asphalt wäre das Ganze ja vielleicht noch gegangen, aber ich musste durch den Wald und der Weg bestand aus Sand, Kies und Borken. Dann war der *Gipfel* erreicht und es ging in einem schnellen Tempo den Berg hinab... um feststellen zu müssen, dass der Gugenhof, auf dem ich übernachten wollte, wiederum auf einem Berg stand. Ich war fix und fertig mit der Welt, als ich da oben ankam. Dafür erhielt ich als einzige Camperin an diesem Tag einen schönen schattigen Platz für mein Zelt, was in Windeseile aufgebaut war. Ziegen, Schafe, Kühe liefen herum.... eben ein richtiger Bauernhof. Der Blick auf die atemberaubende Bergkulisse entschädigte letztendlich für alle Mühen dieses Tages. Ich dachte anfangs es sei ein Scherz, aber der Bauer konnte mir glaubhaft versichern, dass die drei schneebedeckten Gipfel der Eiger, Mönch und Jungfrau waren. Absolut grandios! Mit dem Blick konnte der Tag nur gut zu Ende gehen. Und das Abendessen schmeckte doppelt so gut! Danach genehmigte ich mir noch einige Seiten meines Mrs.-Murphys-Krimis. Irgendwie passte er perfekt in diese Landschaft.

Mittwoch, 5. August 2009

Tour de Suisse - 1. Tag von Singen nach Zürich (65 km)[200 km]


Nein, ich bin weder verrückt noch durchtrainiert, aber trotz allem war es machbar! Und eigentlich sollten es über 800 km werden, aber wenn man sich in der Schweiz auf etwas verlassen kann, dann auf das schlechte Wetter in der 1. Augustwoche. Das ist nunmehr das 4. Mal, dass es mich in dieser besagten Woche erwischt hat. Der nächste Sommerurlaub wird definitiv anders terminiert!

Übrigens! Die in runden Klammern gesetzten Kilometer sind jeweils die wirklich mit dem Rad gefahrenen Strecken! Zug, Schiff und Bus werden in eckigen Klammern dargestellt. Wäre ja auch unfair. Es war schließlich eine Radtour, keine Zug- oder Schifftour de Suisse.

Beginnen wir am Anfang: Am Montag, dem 27. 7. fuhr ich mit Sack und Pack, d.h. Rad, 22 kg Gepäck und meiner Wenigkeit mit dem Zug von Stuttgart nach Singen, um von dort meine Tour zu starten. Die Deutsche Bahn ist ein Alptraum. Das bezieht sich nicht nur auf die Unfreundlichkeit von Bahnpersonal im Zug. Als Fahrradfahrerin mit diesem immensen Gepäck ist es alles andere als schön, wenn man in einen Fahrstuhl einsteigen muss, den man nur im Sardinenfeeling mit zusammengequetschtem Rad passieren kann. Aber irgendwann konnte ich die Reise beginnen. Es war sonnig, aber nicht zu warm. Ich fand auch ziemlich schnell den Radweg nach Stein am Rhein auf der Schweizer Seite. Lediglich die Traktorfahrer hatten wohl ihren Spaß daran, mich zu ärgern. Gegen Mittag traf ich an der Rheinbrücke kurz vor Stein ein und schaute mir mal den Fluss von oben an. Dann ging es durch die altehrwürdige Innenstadt auf die andere Seite bis zum Bahnhof. Dort wartete schon die S-Bahn nach Winterthur und eine Stunde später war ich dort angelangt. Von dort aus wollte ich komplett nach Zürich mit dem Rad durchfahren, möglichst, bevor das groß angekündigte Unwetter mich heimsuchen würde.
Den Schweizern ein Riesenlob! Perfekt ausgeschilderte Radwege, fast immer - wenn möglich - abseits der großen Verkehrsstraßen. Lediglich von Winterthur bis Kempthal ging es auf der Fernverkehrsstraße auf einem extra Radstreifen Richtung Zürich. Die Landschaft war schon dort wunderschön, aber ich sollte auf meiner Reise noch viel umwerfendere Landstriche kennenlernen. Gegen 18 Uhr erreichte ich Zürich, allerdings noch lange nicht den Zeltplatz, der 5 km vom Bahnhof entfernt war. Zürich erinnerte mich an dem Auf und Ab der Straßen ein wenig an San Fransico. Mit dem Rad und so viel Gepäck teilweise sehr schweißtreibend, aber nette Schweizer halfen mir immer wieder mit tollen Abkürzungstipps aus. Das letzte Stück zum Bahnhof ging es bei einsetztendem Regen rasant bergab. Fast 50 km/h. Das hatte was! Vorbei am Bahnhof ging es erst auf der Uraniastraße Richtung Kunsthaus, dann über den General-Guisan-Quai zum See-Camping. Mit 23,50 CHF etwas teuer für eine Nacht, aber sehr hübsch gelegen. Kaum hatte ich das Zelt aufgebaut, braute sich ein Gewitter zusammen, welches die ganze Nacht andauern sollte. Netterweise lud mich eine Schweizerin zum Plausch unter ihrem regensicheren Campingdach ein und bei Tee und zuckenden Blitzen unterhielten wir uns bis in die späte Nacht (meine Gewitterangst war dadurch auch gleich kuriert worden - nochmals herzlichen Dank!) .