Heute ist der 10. Juni 2009. Ein ganz normaler Tag, könnte man meinen.
Wohl nur wenige wissen, dass sich heute vor 67 bzw. 65 Jahren drei der grässlichsten Massaker der deutschen Nazis auf tschechischem, französischem und griechischem Boden ereignet hatten. Die Orte des Verbrechens: Lidice, Oradour-sur-Glane und Distomo.
Am 27. Mai 1942 wurde der stellvertretende Reichsprotektor für Mähren und Böhmen, Reinhard Heidrich, auf seinem Weg ins Büro auf dem Hradschin in Prag durch ein Attentat tschechischer Widerstandskämpfer schwer verletzt. Am 4. Juni 1942 erlag Heydrich den Verletzungen. Daraufhin leiteten die Nazis massive Vergeltungsmaßnahmen gegen die tschechische Zivilbevölkerung ein.
Nach dem Befehl von K. H. Frank wurden am 10. 06. 1942 173 Männer aus Lidice im Garten von Horaks Bauernhof erschossen. Frauen und Kinder wurden in die heutige Gymnasiumsturnhalle in Kladno gebracht, wo sie jedoch alle nach drei Tagen voneinander gewaltsam getrennt wurden. Ausser den für die Eindeutschung bestimmten Kinder und Babies zu einem Jahr wurden alle ohne Gnade durch Auspuffgase in speziell dafür gebauten Autos im Nazivernichtungslager in der polnischen Stadt Chełmno vergiftet. Die Frauen wurden ins KZ Ravensbrück deportiert.
Das Dorf wurde danach von den Nazis angezündet, die Häuser gesprengt und das gesamte Areal planiert. Von Lidice blieb nur das Ortsschild übrig.
Die tschechische Regierung errichtete nach Kriegsende eine Gedenkstätte an der Stelle des alten Dorfes und baute das neue Lidice daneben wieder auf.
Als ich als 13jährige diese Gedenkstätte besuchte, ging ich mit meinen Eltern auch in einen Gasthof. Wir wurden sehr feindselig begrüßt. Auch wenn wir aus der DDR kamen, waren wir Deutsche und die viel geprießene *Freundschaft zwischen den soz. Ländern* hätten die Regierungen zu gerne gesehen, aber man konnte halt die Geschichte nicht einfach vergessen und man sollte sie auch überhaupt nicht! Die neuen Einwohner bzw. die Überlebenden des Massakers hatten also völlig recht.
Oradour-sur-Glane - 10. 06. 1944 - Ein beschauliches Dörfchen am Fluss Glane unweit der Stadt Limoges in der Region Limousine und im Departement Haute-Vienne hatte im Jahre 1944 fast 700 Einwohner. Bislang war es vom Krieg weitestgehend verschont geblieben. Lediglich einige Flüchtlinge aus Lothringen lebten seit geraumer Zeit dort, u.a. auch der 7-jährige Roger Godfrin, der im Nachhinein das einzig überlebende Kind des Massakers sein sollte.
Auf Befehl von SS-Obersturmbannführer Dieckmann wurden die Dorfbewohner zunächst auf dem Marktplatz zusammengetrieben. Während die Männer, in fünf Gruppen aufgeteilt, in Scheunen erschossen wurden, sperrten die SS-Soldaten Frauen und Kinder in die Dorfkirche ein und versuchten, diese zu ersticken, indem sie Rauchbomben explodieren ließen. Anschließend steckten die SS-Soldaten die Kirche in Brand. Außerhalb des Gebäudes postierte Einheiten erschossen die Frauen und Kinder, die versuchten, dem Feuer zu entkommen. Die meisten Toten fand man deshalb auch in der Sakristei. Danach betraten die Soldaten das Kirchengebäude, um diejenigen, die das Inferno überlebt hatten, zu erschießen. Nach dem Verbrechen zogen die SS-Soldaten weiter durch das Dorf und plünderten die Wohnhäuser der Dorfbewohner. Anschließend brannten sie das Dorf nieder.
Insgesamt kamen bei dem Massaker 642 Dorfbewohner ums Leben, unter ihnen 245 Frauen und 207 Kinder. Nur wenige Einwohner konnten entkommen – unter ihnen besagter Roger Godfrin, der die Nazis und ihre Verbrechen kannte und deshalb floh. Auch eine Frau überlebte durch ein Wunder, und zwar die 47-jährige Marguerite Rouffanche. Sie konnte hinter den Altar flüchten und erklomm mit einer Leiter eines der Kirchenfenster. Von dort aus sprang sie aus fast 4 m Höhe in den angrenzenden Kirchgarten. Eine Mutter und ihr Kind, die ebenfalls hinterherspringen wollten, wurden von Schüssen tödlich verletzt. Auch Madame Rouffanche wurde 5 mal getroffen, überlebte aber das Massaker und wurde am 11. 06. gefunden und gerettet.
Durch einen glücklichen Umstand überlebten auch 5 Männer das Verbrechen in der Scheune. Obwohl die Nazis diese nach dem Massaker in Brand gesetzt hatten und die Hitze unerträglich wurde, konnten sie in einen angrenzenden Kaninchenstall und von dort nach draußen flüchten. Heute lebt nur noch Robert Hébras. Er hat auch schon in Deutschland Schulen besucht, um von dem Massaker zu erzählen.
Offiziell wurde die Ermordung der Zivilbevölkerung Oradours von den Nazi-Deutschen als "Vergeltungsmaßnahme" "gerechtfertigt", da die von Toulouse an die Invasionsfront marschierende 2. SS-Panzer-Division durch Angriffe von Résistancekämpfern schwere Verluste erlitten habe.
Nach dem Krieg verurteilte ein Militärtribunal in Bordeaux 21 von 65 überlebenden SS-Soldaten zum Tode oder mehreren Jahren Gefägnishaft. Unter den Verurteilten befanden sich auch 14 Elsässer, die aber nach einem Eklat amnestiert wurden. Da nach Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes die Verurteilung deutscher Staatsangehöriger durch ausländische Gerichte verboten war, verloren auch die Urteile gegen die deutschen Angeklagten ihre Gütigkeit. In der BRD kam es nicht zu weiteren Prozessen, da der als hauptverantwortlich geltende Adolph Dieckmann noch vor Kriegsende verstorben war und weitere verantwortliche Kommandeure im Ausland untertauchen konnten. Lediglich Heinz Barth, der unbehelligt in der DDR lebte, wurde in einem Prozess 1983 wegen seiner Verbrechen in Oradour angeklagt. Er war als einer der leitenden Offiziere an dem Massaker beteiligt und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Aufgrund seiner angegriffenen Gesundheit wurde er 1997 freigelassen und verstarb 10 Jahre später.
Schon in meiner Jugend las ich ein Buch mit dem Titel *Geißel der Menschheit* von Lord Russel of Liverpool, einer der Ankläger im Nürnberger Prozess. Das Buch stammte aus dem Jahre 1956 und zeigte dort Fotos von Oradour nach dem Massaker. Was ich allerdings nicht wusste, dass Oradour neu aufgebaut wurde und die Ruinen des alten Oradour bis heute als Gedenkstätte belassen wurden.
Als ich vor 2 Jahren Oradour besuchte, war ich über genau diesen Anblick schockiert. Ich hatte schon Gedenkstätten wie Theresienstadt, Auschwitz, Buchenwald und Ravensbrück besucht, aber dass man einen Ort mit all dem, was ihn ausmacht – also auch Autos, die alte Straßenbahnlinie, die zerstörte Kirche mit dem verbrannten Kinderwagen so über die Jahre den Naturgewalten ausgesetzt belassen hatte, machte schon etwas fassungslos. Im Informationszentrum traute ich mir (mal wieder) nicht, deutsch zu sprechen. Aber ich wollte natürlich schon gerne Material kaufen und beschämt gab ich zu, aus Deutschland zu stammen. Daraufhin wurde ich mehr als nur herzlich begrüßt. Man freute sich ehrlich, dass eine Deutsche Oradour besuchte, weil das wohl wirklich nicht so häufig vorkam. Dabei liegt dieser Ort auf einer der typisch deutschen Haupturlaubsrouten, wenn man Richtung Bordeaux oder weiter nach Spanien fahren möchte. Sogar die Autobahn ist gleich in der Nähe und trotzdem fahren die meisten durch (vielleicht auch, weil sie davon gar nichts wissen).
PS: Die Fotos entstanden alle bei meinem Besuch in Ordaour vor 2 JahrenDistomo - 10. 06. 1944
Am 10. Juni 1944 erschossen Angehörige eines Regimentes der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division im Zuge einer an den Einwohnern der griechischen Ortschaft Distomo verübten „Vergeltungsaktion“ 228 der - an Partisanenkämpfen unbeteiligten - ca. 1.800 Dorfbewohner. Unter den Opfern befanden sich vor allem alte Menschen, Frauen, 34 Kinder im Alter von einem bis zehn Jahren und vier Säuglinge im Alter von zwei bis sechs Monaten. Das Dorf wurde niedergebrannt. Derselbe SS-Verband hatte beim Blutbad von Klissoura am 5. April 1944 zusammen mit bulgarischer Miliz 215 Männer, Frauen und Kinder niedergeschossen, um Partisanenanschläge auf zwei deutsche Soldaten zu räche
Im offiziellen Gefechtsbericht der 2. Kompanie des SS-Polizeigrenadier-Regiments der 4. SS-Polizei-Panzergrenadier-Division vom 10. Juni 1944 heißt es außerdem, dass aus dem Ort mit Granatwerfern, Maschinengewehren und Gewehren auf die deutschen Soldaten geschossen worden sei. „Ich habe daraufhin“, fährt der Bericht des Kompaniechefs Fritz Lautenbach fort, die „Feuereröffnung und den Angriff mit allen zur Verfügung stehenden Waffen auf Distomon befohlen. Nachdem das Dorf gesäubert war, wurden insgesamt 250 bis 300 tote Bandenangehörige und Bandenverdächtige gezählt.“
Bei der Aktion kam es nach Augenzeugenberichten zu sadistischen Exzessen:
„Männer wie Kinder wurden wahllos erschossen, Frauen vergewaltigt und niedergemetzelt, vielen schnitten die Soldaten die Brüste ab. Schwangere Frauen wurden aufgeschlitzt, manche Opfer mit dem Bajonett gemeuchelt. Anderen wurden die Köpfe abgetrennt oder die Augen ausgestochen.“
Keine Familie in Distomo blieb verschont. Männer, Frauen, Greise, Kinder - das jüngste Opfer war gerade einmal zwei Monate alt. Bis heute blieb das Verbrechen ungesühnt. Die Ausführenden des Verbrechens von Distomo versammeln sich jährlich zum lustigen Kameradschaftstreffen, um Erinnerungen auszutauschen...
Auf die Klage von Kindern der Opfer von Distomo wurde die Bundesrepublik Deutschland in einem erstinstanzlichen Versäumnisurteil des Landgerichts Livadia im Oktober 1997 zur Zahlung von 37,5 Millionen Euro verurteilt. Ein Revisionsantrag der Bundesrepublik Deutschland wurde im Januar 2000 vom Areopag, dem höchsten griechischen Gericht, zurückgewiesen. Das oberste italienische Zivilgericht, der römische Kassationsgerichtshof, entschied 2008, dass die Überlebenden des Massakers von Distomo die in Griechenland erstrittenen Urteile in Italien vollstrecken können. Der Anwalt der Kläger erwirkte die Eintragung einer Hypothek auf das deutsche Kulturinstitut, der nun die Zwangsversteigerung droht. Die deutsche und die italienische Regierung haben sich jedoch darauf verständigt, eine Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag herbeizuführen.
Nur sind die Verbrechen des 2. Weltkrieges vor 65 - 70 Jahre gewesen und noch immer leben Täter, wie z.B. ein ehemaliger Aufseher im Vernichtungslager Sobibor. Und so lange es Überlebende und Täter gibt und letztere nicht alle bestraft worden sind, müssen wir uns daran erinnern! Auch, damit soetwas nie wieder passieren kann.
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